Vertrautes – Unvertrautes
heißt unser Programm und meint damit sowohl die Melodien wie auch die Inhalte der Lieder, die vertraut oder nicht vertraut sein können. Lieder sprechen ja oft in Metaphern, die wir kennen, – oder die uns fremd sind. „Mädchen ich bewundere dich“ ist der Grundtenor eines türkischen Liedes aus Anatolien. Aussagen des Liedes wie ‚Es flog meine Asche, ich habe Milch getrunken‘ sind jedoch Umschreibungen, auf die wir uns erst einstimmen müssen, – und die man im ländlichen Kontext verstehen muss.
Ähnliches gilt für ein tschechisches Volkslied, das Dvořák vertont hat: Nepovim – Ich sag’s nicht. Sie muss die Mutter erst fragen, ob sie ihn lieben darf. Sie steht an einem Brunnen, beantwortet keine weiteren Fragen, gibt einem Pfau zu trinken…
Vertrauter ist eine Melodie von Johann Sebastian Bach aus seinem Magnificat: „Preiset den Herrn mit Freuden.“ Die Chorfuge ist vor allem unter dem veränderten, gut singbaren Text „Psallite“ bekannt und gehört zu den am häufigsten vorgetragenen Stücken der Bachzeit.
Hugo Distler hat in seinem Chorliederbuch zahlreiche Gedichte des romantischen Dichters Eduard Mörike (1804 – 1875) vertont. Die Texte umschreiben in malerischer Weise Erlebnisse, Begebenheiten und Thematiken, die den Dichter bewegten. Die Ballade „Die traurige Krönung“, die wir vortragen, beruht vermutlich auf einer irischen Sage. Durch die Ermordung des rechtmäßigen Thronerben, des Kindes seines Bruders, erschleicht sich König Millesint die Krone von Irland. Er stirbt am Tag seiner Krönung im Schloss Liffey einen mysteriösen Tod. Mörike hat in dieser Ballade das zentrale Thema von Schuld und Sühne aufgegriffen.
Distler hat das Gedicht meisterhaft in Töne gesetzt, kombiniert aus mittelalterlicher Melodik und Rhythmik, gepaart mit Dissonanzen, wie sie das 20. Jahrhundert hervorbrachte. Gleichzeitig wird ein volksliedhafter Grundcharakter beibehalten.
Melodie und Rhythmik prägen das Spiritual „Free at last“. Es wurde durch Martin Luther King berühmt, der seine Rede „I have a dream“ mit den Worten des Spirituals: „Free at last, we are free at last“ beendete.
Ähnliches gilt auch von einem afrikanischen Song. Jambo Bwana stammt vom kenianischen Musiker Teddy Kalanda Harrison. Eine Strophe des Songs, „Hakuna matata“ (Es gibt keine Schwierigkeiten), wurde später durch den Walt-Disney-Zeichentrickfilm „Der König der Löwen“ berühmt.
Auch in Italien, dem Land der Madrigale, findet sich Vertrautes. Don Carlo Gesualdo, Fürst von Venosa (Süditalien) gehört zu den schillerndsten Gestalten der Renaissance. Sein Leben war von Krankheit und unglücklicher Liebe gekennzeichnet. Er hatte jedoch immer noch genügend Zeit zum Komponieren, – und dies tat er meisterhaft, so dass er zu einem der bedeutensten Komponisten der Renaissance wurde. Resta di darmi noia -Höre auf, mich zu verwirren– gehört zu seinen bekanntesten Werken, gekennzeichnet durch -zumindest für die damalige Zeit- ungewöhnliche Harmonik und Rhythmik.